Fußballdebatte bei „Markus Lanz“
„Wäre Markus Söder Kanzler, der würde auch mit Trikot ins Kabinett gehen“
Moderator Markus Lanz (von links), Kevin Kühnert, Simon Rolfes, Friederike „Fritzi“ Kromp und Robin Alexander.
Quelle: Cornelia Lehmann ZDF
Bei „Markus Lanz“ in der Nacht zu Mittwoch ging es um die Fußball-EM, die Krise der SPD und Politikertypen in Stadien. Während Teil eins harmonisch über die Bühne ging, versuchte der Moderator bei Halbzeit zwei, den SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert etwas zu provozieren.
Harmonie pur: Das herrschte in der Nacht zu Mittwoch bei „Markus Lanz“ für mindestens die Hälfte der Sendung. Denn es ging um die Fußball-Europameisterschaft, ein Thema, das gerade viele vereint anstatt zu spalten. Dafür waren ein Experte und eine Expertin geladen ‒ Simon Rolfes, Ex-Nationalspieler und Sportchef von Bayer 04 Leverkusen, und Friederike „Fritzy“ Kromp, ZDF-Fußball-Expertin und Cheftrainerin der U20-Frauenmannschaft von Eintracht Frankfurt, brachten ihr Fußballwissen ein, Uneinigkeit herrschte nur ein kleines bisschen bei den Themen VAR-Technik und Cristiano Ronaldo.
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Bei dem portugiesischen Nationalspieler teilte sich das Plenum in jene, die für Ronaldo nach seinem verschossenen Freistoß und den Tränen Mitleid empfanden und jene, die es nicht taten. „Man mag es oder man hasst es“, kommentierte der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert lapidar, wohl auf Ronaldos gesamtes Auftreten bezogen. „Wenn Männer weinen ...“, bezog sich Lanz darauf, was der Politiker aber auffing: „An sich habe ich nichts dagegen.“ Doch in dem Moment sei es etwas selbstmitleidig gewesen. Kromp hatte da mehr Mitgefühl: „Er hat mir schon ein Stück weit leidgetan“, sagte sie, auch wenn bei Ronaldo immer viel Show dabei sei, gerade vor Freistößen.
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Rolfes hat kein Mitleid mit Ronaldo
Rolfes äußerte zwar kein Mitleid mit Ronaldo, gegen den er selbst schon gespielt hat ‒ wie eingeblendete Bilder zeigen ‒, aber dafür Überraschung über dessen Reaktion nach dem verschossenen Elfer. „Das hatte ich jetzt nicht erwartet. Was er symbolisiert, wie er da steht, diese Entschlossenheit, da hat mich seine Reaktion danach überrascht“, sagte er und lobte Ronaldo dann trotz seiner Attitüde als „sehr zielstrebig“ und als „unglaublichen Arbeiter“.
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Beim Thema VAR-Technik verwunderte dann nicht, dass Rolfes diese befürwortet: Der 42-Jährige ist an einer Firma für VAR-Technik beteiligt und argumentierte dafür, indem er betonte: „Die groben Fehlentscheidungen gibt es dadurch nicht mehr.“ Beim Rest der Runde sorgte die Technik, die im Achtelfinalspiel zwischen Deutschland und Dänemark gleich zwei schnelle Entscheidungen hintereinander einbrachte (Aberkennung eines Tores und Erkennen von Handspiel) eher für ein „schales Gefühl“, wie es Robin Alexander, stellvertretender „Welt“-Chefredakteur und eigentlich Experte für Politik und nicht Fußball, bezeichnete.
Kromp war da ähnlicher Meinung: „Ich hadere schon ein bisschen damit, weil es das Momentum killt. (...) Es killt so ein bisschen die Emotionen“, sagte sie, wenn man teilweise minutenlang auf eine Entscheidung warten müsse. „Das macht was mit einem, wenn man ein Tor schießt und nicht weiß, ob man jubeln kann.“ Den Ball nahm Lanz kurz darauf auf, um nun die gemütliche Plauderrunde auf ein doch etwas strittigeres Thema zu leiten: die SPD. Wann er als SPD-Generalsekretär das letzte Mal so richtig gejubelt habe, fragte er Kühnert, der tatsächlich kurz ins Schwimmen kam und dann auf den SPD-Parteitag Ende vergangenen Jahres verwies.
Lanz hakte nach, ob er über einen Rücktritt nachgedacht habe nach der Europawahlpleite der SPD. Kühnerts selbstbewusste Antwort: „Nein.“ Dennoch gestand er der SPD und auch sich als Generalsekretär Fehler in der Kampagne ein. Die Provokation lief ins Leere. Ein bisschen mehr Emotion holte er dann aus Kühnert heraus, als es um den Haushalt ging und „Welt“-Journalist Alexander zuvor kritisiert hatte, dass die Ampelparteien sich gegenseitig eingemauert hätten, indem sie auf ihren Standpunkten beharrten. Als Kühnert zu einer längeren Erklärung ausholte, unterbrach Lanz in seiner typischen Manier und fasste mal kurz zusammen, wie er die Aussage des Generalsekretärs verstanden hatte. „Ich konnte noch nicht viel plädieren, weil Sie haben ja meine Aufgabe übernommen“, schoss der zurück, um dann noch mal anzusetzen.
Politiker in Fußballstadien ‒ ein politisches Kapital?
Fußball und Politik, ein gemeinsames Thema musste natürlich auch noch gefunden werden ‒ was lag da näher als Politiker in Fußballstadien, wie sie bei den letzten Spielen immer wieder gesehen wurden? „Für Politiker ist das ein Kapital“, sagte Alexander über diese Stadionbesuche und erinnerte sich zurück an 2006. „Da war Merkel ein Jahr Kanzlerin, sie hatte kein gutes erstes Jahr.“ Doch mit dem Fußball-Sommermärchen habe sich das total gewendet. „Sie kommt nicht vom Fußball, (...) aber über ihre Zeit als Kanzlerin hat sie sich echt interessiert“, so der Journalist anerkennend. Dazu wurde ein Bild der jubelnden Merkel eingeblendet.
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Bei Olaf Scholz, ebenfalls bei den Spielen dieser EM gesehen, lobte er, dass er kein Trikot trägt. „Mir gefällt es, weil er sich nicht verbiegt“, sagte er dazu, und: „Er inszeniert sich nicht als Fan, der er vorher nicht war.“ Dennoch lasse der Kanzler damit politisches Kapital liegen. Was Alexander gleich für einen Seitenhieb Richtung CSU-Chef Markus Söder nutzte: „Wäre Markus Söder Kanzler, der würde auch mit Trikot zur Pressekonferenz oder ins Kabinett gehen.“ Man muss die Potenziale schließlich nutzen.